zurück

Straffreier Aushilfslehrer-Sex mit Minderjährigen

Braucht unser Recht hier Nachhilfe? Das vor einigen Tagen veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofs macht zumindest juristische Laien sehr betroffen. Kann es sein, dass das Gesetz zum Schutz gegen Missbrauch von Schutzbefohlenen (§174 StGB) nicht greift, nur weil es sich um Vertretungslehrer oder Leiter von Arbeitsgemeinschaften handelte?

Der Fall des Realschullehrers, der mit einer 14-jährigen Schülerin ein halbes Jahr lang eine einvernehmliche sexuelle Beziehung unterhielt, muss nun vom Landgericht Bochum neu verhandelt werden. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen muss laut BGH mit dem Vorliegen eines Obhutverhältnisses zwischen Lehrer und Schülerin begründet werden, das in jedem Einzelfall geprüft werden müsse. Das heißt: hätte der Lehrer das Mädchen fest in einem Schulfach unterrichtet, wäre der genannte Paragraph angewandt worden. Doch da der Lehrer „nur“ Arbeitsgemeinschaften betreute und außerhalb des Schulunterrichts Rotkreuz-Gruppenstunden abhielt, muss untersucht werden, ob die Schülerin dem Lehrer „zur Erziehung anvertraut“ war, wie es im Gesetzestext heißt. Zu welchem Ergebnis das LG kommen wird, bleibt abzuwarten.

Andrea Voßhoff, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion machte ihrer Unzufriedenheit mit diesem Urteil Luft:

"Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in ihrer Forderung bestärkt, dass die gesetzliche Lücke im Schutz von Schülern gegen sexuelle Übergriffe von Lehrern dringend geschlossen werden muss. Es darf nicht länger vom Stundenplan abhängen, ob sexuelle Kontakte zu Schülern für einen Lehrer strafbar sind.“

Auch für den Normalbürger stellt sich die Frage, warum es einen so schwerwiegenden Unterschied machen soll, ob ein Lehrer Mathematik- oder Schachstunden gibt, Deutsch unterrichtet oder Flöte. Ist nicht beides Erziehung und findet nicht beides in öffentlichen Einrichtungen statt, die hierarchische Beziehungen entstehen lassen? Ist das Verhältnis zwischen einem Lehrer/einer Aufsichtsperson, einem Gruppen- oder Arbeitskreisleiter und einem Schüler nicht automatisch ein Abhängigkeitsverhältnis? Hat nicht ein Betreuer, gleichgültig in welchem Rahmen seine Tätigkeit stattfindet, immer ein Obhutsverhältnis zu seinen Schützlingen? Die Antworten darauf können mit Rücksicht auf die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in Schulen und Heimen nur „ja“ lauten.

Und ja: das Gesetz sollte die gleich behandeln, die Gleiches in gleicher Situation verüben.  

Wie ddp direct im Mai berichtete, hatte Bayerns Justizministerin Beate Merk im Mai dieses Jahres eine Gesetzesvorlage zur Justizministerkonferenz mitgebracht, die dieser unakzeptablen Ungleichbehandlung ein Ende machen soll.  

(Foto von bigfoto.com)